Event Recap: Ist Berlin-Brandenburg zukunftsfähig?
Am 23. Januar 2025 begann im Aedes in Berlin die dreiteilige Lab-Talks-Serie „Futureproof – Engineering Resilient Cities“. Sie untersucht, wie Städte und Regionen den Herausforderungen von Klimawandel, Urbanisierung und Digitalisierung begegnen können.
Angesichts immer komplexerer Probleme müssen Lösungen flexibel und interdisziplinär sein, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Veranstaltungsreihe beleuchtet die Stadt im Kontext dreier Maßstäbe: der Region, dem Quartier und dem Gebäude – und zeigt Wege, Städte zukunftsfähig zu machen. Der Auftakt im Januar konzentrierte sich auf die Stadt und Metropolregion, mit Berlin-Brandenburg als Beispiel. Gemeinsam mit unseren Speakern Ute Schneider, Lech Suwala, Benjamin Herkommer und der Front Row-Peers Daniela Riedel, Thomas Stellmach und Matthias von Popowski diskutierte unsere Moderation Anika Buchmaier und Sebastian Seelig die Frage: Ist Berlin-Brandenburg bereits zukunftsfähig, und wenn nicht, wie wird die Metropolregion „futureproof“?
Um diese Frage zu beantworten, benötigt es zuerst einer Definition: Was bedeutet „Futureproof“ oder zukunftssicher? Eine zukunftssichere Stadt oder Region ist nachhaltig, anpassungsfähig und widerstandsfähig gegenüber zukünftigen Herausforderungen – und sichert langfristig das Wohl ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.

Polychancen für Polykrisen
Unsere Gesellschaft steht vor vielen Herausforderungen: Wohnungsknappheit, Klimakrise, wirtschaftliche Umbrüche, technologischer Wandel und gesellschaftliche Polarisierung. Jede Zeit hatte ihre Krisen, doch heute treten sie gleichzeitig auf, bedingen einander und verstärken sich. Diese Gleichzeitigkeit nennt man Polykrisen.
Städte funktionieren dabei wie Brenngläser, denn dort sind die Folgen der Polykrisen besonders greifbar: Die Klimakrise führt zu Starkregen, der in Ballungsräumen Überschwemmungen verursacht. Hitzewellen schaffen Hitzeinseln, die die Gesundheit der Bewohner gefährden. Wirtschaftliche Umbrüche, wie die Energiekrise, werfen Fragen auf: Wie heizen wir künftig? Der technologische Wandel verlagert den Handel ins Digitale, bedroht den Einzelhandel und hinterlässt leere Innenstädte.
Doch Städte sind nicht nur Problemzonen, sondern auch Lösungsräume: Hier leben die meisten Menschen, hier entstehen Antworten auf Polykrisen. Aus Krisen erwachsen Chancen: die Dekarbonisierung des Energie- und Verkehrssektors, der Umbau unserer Städte in Schwammstädte oder die Transformation zu einer grüneren Wirtschaft.
Viele Herausforderungen der Zukunft kennen wir heute noch nicht. Doch Planung benötigt Vorhersehbarkeit – ein Widerspruch, der Planende, und Politiker vor die Frag stellt: Wie können wir träge Systeme, wie Städte und Metropolregionen, so gestalten, dass sie auf Unvorhergesehenes reagieren können?
Ungewissheit erfordert Visionen. Sie geben nicht nur positive Ausblicke, sondern motivieren Bürger zur Mitgestaltung und schaffen neue Allianzen. Visionen müssen Botschaften senden: Wofür steht die Stadt? Wohin soll sie sich entwickeln?
Die Transformation von Städten bedeutet vor allem, bestehende Strukturen weiterzuentwickeln. Dabei gewinnen unterschiedliche Raumtypologien an Bedeutung: die Zwischenstadt, peri-urbane Gebiete, Gewerbegebiete, Industrieareale, Wissenschaftsstandorte. Die Frage lautet: Wie machen wir sie zukunftssicher?
Visionen für die zukunftsfähige Stadt
Die Forderung nach positiven Leitbildern führt zu zwei Ansätzen: strategische Narrative und missionsorientierte Innovationspolitik. Missionsorientierte Ansätze zielen auf die Lösung konkreter gesellschaftlicher Herausforderungen, wie Klimawandel, soziale Ungleichheit oder nachhaltige Mobilität. Sie definieren klare Missionen, die sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren und dienen als Leitfaden für die Planung und Umsetzung von Projekten. Diese Ansätze fördern die Zusammenarbeit verschiedener Akteure über klassische Branchengrenzen hinweg und schaffen flexible Wertschöpfungsketten.
Strategische Narrative erzählen überzeugende Geschichten, die eine Vision für die Zukunft einer Stadt oder Region vermitteln. Sie erleichtern die Kommunikation komplexer Planungsprozesse, fördern die Beteiligung der Bürger und schaffen ein gemeinsames Verständnis für Ziele und Prioritäten. Eine klare, inspirierende Erzählung kann Unterstützung und Engagement mobilisieren.
Die Integration strategischer Narrative und missionsorientierter Ansätze hilft Städten, auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren und nachhaltige, resiliente Gemeinschaften zu schaffen.
Zwei Korridore: NeoCity und Berlin-Lausitz
Zwei Beispiele verdeutlichen den Einfluss dieser Ansätze: der Innovationskorridor „NeoCity“ zwischen der Berliner Innenstadt und dem Flughafen Berlin-Brandenburg sowie der Berlin-Lausitz-Korridor.
Der Flughafen Berlin-Brandenburg bietet enorme Entwicklungschancen für den Südosten Berlins und das angrenzende Brandenburg. Das strategische Narrativ „NeoCity“ soll die Entwicklung dieses Raums lenken. Visionen und Leitprojekte sind entscheidend, um langfristige Ziele zu erreichen. Die Region braucht eigene Wachstumsmotoren wie Adlershof, Wildau und Tesla sowie eine Mobilitätsstrategie, die ÖPNV und Nutzungsmischung fördert. NeoCity setzt auf „NeoKieze“ mit spezifischen Leitthemen, die Akteure vor Ort entwickeln.
Der Berlin-Lausitz-Korridor steht für missionsorientierte Ansätze. Er profitiert von Strukturförderung und dem Braunkohleausstieg. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik arbeiten in Clustern zusammen, die auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet sind. Public-Private-People-Partnerships binden Zivilgesellschaft und Umwelt ein. Statt Branchen zu fördern, definieren Missionen wie Klimaschutz oder Schwammstadt-Prinzipien die Agenda.



Integrative Konzepte und Kooperation
Zukunftsfähigkeit erfordert nicht nur fachübergreifende, sondern auch raumübergreifende Strategien. Berlin-Brandenburg bietet dafür ideale Voraussetzungen. Entscheidend ist, die Zusammenarbeit zwischen beiden Räumen zu stärken.
Ein Beispiel ist der „Potato-Plan“ von Berlin. Inspiriert von Patrick Abercrombies „Social and Functional Analysis Map“ von 1943, zeigt er die Stadt als Netzwerk von Nachbarschaften und Zentralitäten. Solche Pläne eröffnen neue Perspektiven auf regionale Strukturen und integrieren soziale und räumliche Aspekte in die Planung.
Das Lower Lee Valley in London zeigt, wie eine metropolitane und integrative Planung gelingt. Vor den Olympischen Spielen 2012 war das Gebiet von Verfall geprägt. Die Spiele boten die Chance zur Erneuerung: Der Queen Elizabeth Olympic Park und verbesserte Infrastruktur haben die Lebensqualität nachhaltig gesteigert.
Auch der Flughafen Schiphol in Amsterdam dient als Vorbild. Er verbindet Verkehr, Freiräume und Naturräume zu einem nachhaltigen Modell. Die Zusammenarbeit verschiedener Akteure und die Berücksichtigung von Umweltaspekten machen die Region um den Flughafen Schiphol zukunftsfähig.
Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und die Einbeziehung von Freiräumen und Naturräumen sind entscheidend für eine erfolgreiche Stadtentwicklung. Die Integration von sozialen und räumlichen Strukturen in die Planung fördert nachhaltige und resiliente Städte. Durch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und die Einbeziehung von Freiräumen und Naturräumen können Städte und Regionen effektiver auf die komplexen Herausforderungen der Zukunft reagieren und nachhaltige, inklusive und resiliente Gemeinschaften schaffen.
Fazit
Die Veranstaltung zeigte: Berlin-Brandenburg hat großes Potenzial. Die polyzentrische Struktur, das Verkehrsnetz, die Grünräume, die junge Bevölkerung und die innovative Wirtschaft sind starke Grundlagen. Doch um zukunftssicher zu werden, braucht es neben Konzepten vor allem auch:
- Köpfe: Starke Persönlichkeiten in Institutionen, die Entwicklung steuern.
- Toleranz: Eine tolerante Gesellschaft, die kluge Köpf anzieht.
- Tempo: Schnelle Umsetzung von Planungsvorhaben.
- Weitsicht: Vorausschauende Planung, die sich an Missionen wie der Wärmewende orientieren.
- Mut: Mutige Akteure, die große Ideen vorantreiben – statt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen.
Futureproof Reihe
Futureproof, eine dreiteilige Veranstaltungsreihe, hat ý anlässlich seines 30-jährigen Bestehens in Deutschland gemeinsam mit Aedes ins Leben gerufen. Die nächsten Veranstaltungen beleuchten zwei weitere Maßstäbe: Futureproof M beschäftigt sich mit bestehenden Quartieren, Futureproof S mit klimaneutralen Gebäuden:
- Futureproof M – City & Neighbourhood: 20. Februar um 18:30 Uhr im Aedes, Berlin
- Futureproof S – City & Building: 03. April 2025 um 18:30 Uhr im Aedes, Berlin